
Wieland Payer, Kiesel, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 40 x 50 cm

Wieland Payer, Lichtwasser, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 50 x 70 cm
Es werde Licht!
Abbildungen Wieland Payer / Text: Freddy Langer
Ja, auch an Wieland Payer ging der Medienrummel
nicht unbemerkt vorüber,
für den Nordlichter gesorgt hatten, die
im vorigen Herbst entlang der Küste
Mecklenburg-Vorpommerns eine
Nacht lang über den Himmel getanzt
waren. Doch nein, gesehen hat er sie nicht. er
habe überhaupt noch nie Nordlichter gesehen,
sagt er, obwohl er auch in Polarregionen schon
unterwegs gewesen ist. Aber da war es sommer
und rund um die Uhr hell. seine aktuelle Ausstellung
so zu nennen, war denn auch nicht seine
idee, sondern die des Galeristen robert Dämmig
mit seinem kleinen Kunstrefugium Alte Schule
Ahrenshoop, so wie es zuvor dessen idee gewesen
ist, Payer nach Darß/Fischland einzuladen
und ihm dort seine räume zur Verfügung zu stellen.

Wieland Payer, Frühlingsabend, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 50 x 70 cm
Und der zeichnete augenblicklich los. Nicht
nach skizzen, angefertigt an den stränden der
Ostsee. sondern nach Anregungen aus der Geschichte
der Kunst: von Ludolf Backhuysen über
ivan Konstantinowitsch Aivazovsky bis Lyonel
Feininger. Aivazovsky vor allem. Dessen dramatische
Meeresbilder, sagt Payer, hätten ihn schon
als Kind fasziniert, als er in der Bibliothek des
Vaters auf einen opulenten Bildband mit Gemälden
des russischen Marinemalers gestoßen ist,
und mehr noch, als er einem von dessen riesenschinken
bei einer Gruppenausstellung im
Dresdner Albertinum gegenüberstand. Fünf Meter
breit, mehr als zwei Meter hoch, schwärmt er
mit spürbarem schauder in der stimme und
spricht von der puren Naturgewalt und dem totalen
Meeresbild. Nur um jedoch schnell anzufügen,
dass er als Kind noch zu DDr-Zeiten zwar
mit den eltern die Urlaube zeltend auf rügen
verbracht habe, eigentlich jedoch mehr so der
Bergtyp sei. Davon merkt man in der aktuellen
Ausstellung nichts.

Wieland Payer, Der Morgen, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 80 x 120 cm
Oder etwa doch? Denn dem Ort am Meer fühlte
sich Payer irgendwie verpflichtet, weshalb er
zur einstimmung auch zwischen Prerow und
Dierhagen die strände abgewandert ist und von
den Klippen aus auf die Ostsee hinuntergeschaut
hat. Aber eine viel größere rolle spielen in seinen
jüngsten Bildern Licht und Wetter. Das
zeichnet er jeweils mit schablonen oder am Lineal
entlang mit Pastellkreide und Aquarellfarben,
Bleistift, tusche und Kohle mal als kristalline
Flächen, mal als Bündel zarter Linien. Dann
hängt ein Gitter wie aus Kondensstreifen geflochten
vorm Äther, oder es addiert sich der regen,
der aus schwarzen Wolken aufs Meer stürzt,
zu säulen von solch skulpturaler Mächtigkeit,
dass es aussieht, als stützten sie das Firmament.
Prompt vernimmt man als Betrachter auf der
eigenen, inneren tonspur statt des Prasselns der
tropfen auf dem Meer fein gesponnene sphärenklänge.
„Der Morgen“ heißt eines dieser Bilder,
„Abendrot“ ein anderes, und man mag sich vorstellen,
dass dazwischen der erste tag der schöpfung
vorübergegangen ist, an dem der Herrgott
zum ersten Mal das Licht anknipste und sein
Geist noch auf dem Wasser schwebte. Für dieses
Wasser genügen Payer mitunter schmalste streifen
am unteren Bildrand. Nur Bänder, die dennoch
die tiefe des Meeres wie die Ferne des Horizonts
vermitteln. Der Rest ist Himmel.

Wieland Payer, Aivazovsky, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 120 x 150 cm
Wieland Payer mag Farbenspiele, „irre Farbenspiele“,
wie er es formuliert und für die er solche
Adjektive wie hochgesteuert und science-fictionhaft
wählt. in den spätimpressionistischen Gemälden,
die typisch sind für die Malerei der Ostseeküste,
auch die der Künstlerkolonie Ahrenshoop,
findet er deshalb keine Anknüpfungspunkte.
Vielmehr macht er dort weiter, wo er mit seinen
Landschaftsgemälden dichter regenwälder
des Amazonas und der Leere des isländischen
Hochlands aufgehört hat: als illustrator der eigenen
expeditionen.
Wie ein Forscher des frühen neunzehnten Jahrhunderts
ist Wieland Payer bisweilen unterwegs
in Gegenden, von denen er sich einreden mag, der
erste zu sein, der sie betreten hat. Deshalb das
staunen, das sich über seine Bilder mitteilt. Deshalb
mitunter eine Präzision im Detail, als solle
bloß nichts übersehen und, mindestens ebenso
schlimm, später vergessen werden. im regal in
seinem studio stehen neben Kunstbänden mit den
Bildern Caspar David Friedrichs auch welche mit
den schriften Alexander Humboldts. Hier also
romantik, dort exakte Wissenschaft. Aber ihr
fühlt Payer sich nicht verpflichtet. ebenso wenig
dem, was man gemeinhin als Wirklichkeit bezeichnet
und der Kunst schon immer einerlei war.
so tauchen in seinen Bildern oft seltsame Architekturen
auf, so fremd und unheimlich wie der
Monolith, den in stanley Kubricks Weltraumfilm
„2001 – Odyssee im Weltall“ Archäologen in
raumanzügen auf dem Mond entdecken, und erweitern
die Darstellungen der bereisten Orte um
eine Dimension des Unheimlichen. Oder eben des
science-Fiction-Haften.
Da sticht nun etwa in der Ostsee eine bizarre
Welle spitz wie ein Pfeil in die Dünung. Und in
einem anderen Bild sorgt eine rechtwinklige
Aussparung für eine geisterhafte Leerstelle zwischen
Himmel und Meer. Wie ein Tor in eine andere
Welt. Was so friedlich aussehe, sagt Wieland
Payer von der ruhigen see, könne schon am
nächsten tag schrecklich werden: „Diese Gewalt
finde ich erstaunlich.“ Dieser Ambivalenz ist er
auf der spur. Und dann sagt er so nachdenklich
wie überraschend, dass sich das Meer in seiner
ständigen Bewegung streng genommen jeder
Darstellung entziehe.
„Wieland Payer: Nord Licht“, Galerie Alte Schule Ahrenshoop,
Dorfstraße 16, 18347 Ostseebad Ahrenshoop;
bis 15. Juni.
Der Katalog zur Ausstellung kostet 18 Euro.
Abbildungen Wieland Payer / Text: Freddy Langer
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