Es werde Licht – Wieland Payer in der FAZ vom 6. Juni 2025


Wieland Payer, Kiesel, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 40 x 50 cm

Wieland Payer, Lichtwasser, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 50 x 70 cm

Es werde Licht!

Abbildungen Wieland Payer / Text: Freddy Langer

Ja, auch an Wieland Payer ging der Medienrummel

nicht unbemerkt vorüber,

für den Nordlichter gesorgt hatten, die

im vorigen Herbst entlang der Küste

Mecklenburg-Vorpommerns eine

Nacht lang über den Himmel getanzt

waren. Doch nein, gesehen hat er sie nicht. er

habe überhaupt noch nie Nordlichter gesehen,

sagt er, obwohl er auch in Polarregionen schon

unterwegs gewesen ist. Aber da war es sommer

und rund um die Uhr hell. seine aktuelle Ausstellung

so zu nennen, war denn auch nicht seine

idee, sondern die des Galeristen robert Dämmig

mit seinem kleinen Kunstrefugium Alte Schule

Ahrenshoop, so wie es zuvor dessen idee gewesen

ist, Payer nach Darß/Fischland einzuladen

und ihm dort seine räume zur Verfügung zu stellen.

 

Wieland Payer, Frühlingsabend, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 50 x 70 cm

Und der zeichnete augenblicklich los. Nicht

nach skizzen, angefertigt an den stränden der

Ostsee. sondern nach Anregungen aus der Geschichte

der Kunst: von Ludolf Backhuysen über

ivan Konstantinowitsch Aivazovsky bis Lyonel

Feininger. Aivazovsky vor allem. Dessen dramatische

Meeresbilder, sagt Payer, hätten ihn schon

als Kind fasziniert, als er in der Bibliothek des

Vaters auf einen opulenten Bildband mit Gemälden

des russischen Marinemalers gestoßen ist,

und mehr noch, als er einem von dessen riesenschinken

bei einer Gruppenausstellung im

Dresdner Albertinum gegenüberstand. Fünf Meter

breit, mehr als zwei Meter hoch, schwärmt er

mit spürbarem schauder in der stimme und

spricht von der puren Naturgewalt und dem totalen

Meeresbild. Nur um jedoch schnell anzufügen,

dass er als Kind noch zu DDr-Zeiten zwar

mit den eltern die Urlaube zeltend auf rügen

verbracht habe, eigentlich jedoch mehr so der

Bergtyp sei. Davon merkt man in der aktuellen

Ausstellung nichts.

 

Wieland Payer, Der Morgen, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 80 x 120 cm

Oder etwa doch? Denn dem Ort am Meer fühlte

sich Payer irgendwie verpflichtet, weshalb er

zur einstimmung auch zwischen Prerow und

Dierhagen die strände abgewandert ist und von

den Klippen aus auf die Ostsee hinuntergeschaut

hat. Aber eine viel größere rolle spielen in seinen

jüngsten Bildern Licht und Wetter. Das

zeichnet er jeweils mit schablonen oder am Lineal

entlang mit Pastellkreide und Aquarellfarben,

Bleistift, tusche und Kohle mal als kristalline

Flächen, mal als Bündel zarter Linien. Dann

hängt ein Gitter wie aus Kondensstreifen geflochten

vorm Äther, oder es addiert sich der regen,

der aus schwarzen Wolken aufs Meer stürzt,

zu säulen von solch skulpturaler Mächtigkeit,

dass es aussieht, als stützten sie das Firmament.

Prompt vernimmt man als Betrachter auf der

eigenen, inneren tonspur statt des Prasselns der

tropfen auf dem Meer fein gesponnene sphärenklänge.

„Der Morgen“ heißt eines dieser Bilder,

„Abendrot“ ein anderes, und man mag sich vorstellen,

dass dazwischen der erste tag der schöpfung

vorübergegangen ist, an dem der Herrgott

zum ersten Mal das Licht anknipste und sein

Geist noch auf dem Wasser schwebte. Für dieses

Wasser genügen Payer mitunter schmalste streifen

am unteren Bildrand. Nur Bänder, die dennoch

die tiefe des Meeres wie die Ferne des Horizonts

vermitteln. Der Rest ist Himmel.

 

Wieland Payer, Aivazovsky, 2025, Pastell, Aquarell, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 120 x 150 cm

Wieland Payer mag Farbenspiele, „irre Farbenspiele“,

wie er es formuliert und für die er solche

Adjektive wie hochgesteuert und science-fictionhaft

wählt. in den spätimpressionistischen Gemälden,

die typisch sind für die Malerei der Ostseeküste,

auch die der Künstlerkolonie Ahrenshoop,

findet er deshalb keine Anknüpfungspunkte.

Vielmehr macht er dort weiter, wo er mit seinen

Landschaftsgemälden dichter regenwälder

des Amazonas und der Leere des isländischen

Hochlands aufgehört hat: als illustrator der eigenen

expeditionen.

Wie ein Forscher des frühen neunzehnten Jahrhunderts

ist Wieland Payer bisweilen unterwegs

in Gegenden, von denen er sich einreden mag, der

erste zu sein, der sie betreten hat. Deshalb das

staunen, das sich über seine Bilder mitteilt. Deshalb

mitunter eine Präzision im Detail, als solle

bloß nichts übersehen und, mindestens ebenso

schlimm, später vergessen werden. im regal in

seinem studio stehen neben Kunstbänden mit den

Bildern Caspar David Friedrichs auch welche mit

den schriften Alexander Humboldts. Hier also

romantik, dort exakte Wissenschaft. Aber ihr

fühlt Payer sich nicht verpflichtet. ebenso wenig

dem, was man gemeinhin als Wirklichkeit bezeichnet

und der Kunst schon immer einerlei war.

so tauchen in seinen Bildern oft seltsame Architekturen

auf, so fremd und unheimlich wie der

Monolith, den in stanley Kubricks Weltraumfilm

„2001 – Odyssee im Weltall“ Archäologen in

raumanzügen auf dem Mond entdecken, und erweitern

die Darstellungen der bereisten Orte um

eine Dimension des Unheimlichen. Oder eben des

science-Fiction-Haften.

Da sticht nun etwa in der Ostsee eine bizarre

Welle spitz wie ein Pfeil in die Dünung. Und in

einem anderen Bild sorgt eine rechtwinklige

Aussparung für eine geisterhafte Leerstelle zwischen

Himmel und Meer. Wie ein Tor in eine andere

Welt. Was so friedlich aussehe, sagt Wieland

Payer von der ruhigen see, könne schon am

nächsten tag schrecklich werden: „Diese Gewalt

finde ich erstaunlich.“ Dieser Ambivalenz ist er

auf der spur. Und dann sagt er so nachdenklich

wie überraschend, dass sich das Meer in seiner

ständigen Bewegung streng genommen jeder

Darstellung entziehe.

 

„Wieland Payer: Nord Licht“, Galerie Alte Schule Ahrenshoop,

Dorfstraße 16, 18347 Ostseebad Ahrenshoop;

bis 15. Juni.

 

Der Katalog zur Ausstellung kostet 18 Euro.

 

Abbildungen Wieland Payer / Text: Freddy Langer

 

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