Egon Pukall
Komm! ins Offene, Freund!
Eine zentrale Rolle für das Werk Pukalls spielt das Künstlerhaus Dresden Loschwitz, in dem Pukall von 1961 bis 1989 lebte und arbeitete. In 1960er, 70er und 80er Jahren lebten und arbeiteten dort neben Egon Pukall unter anderem Künstler wie Hermann Glöckner, Max Uhlig, Wilhelm Lachnit, Hans Jüchser und Helmut Schmidt-Kirstein.
Für Pukall war Dresden Loschwitz das Tor zur Welt, ja die Welt selbst. Hier findet er all die Formen und Farben, die Landschaften, die ihm als Künstler Anker und Triebfeder sind. Hier findet er das Italienische, das Französische, findet er die Würde einer Landschaft, die, teils durch Krieg und Zerstörung geschunden, vor seinen Augen und durch seine Malerei wieder in ein Gleichgewicht, in eine zukunftsweisende Harmonie findet.
Diese komplex schwingende Leichtigkeit in Pukalls Malerei musste hart erarbeitet werden. Betrachtet man seine Kunst der ersten Hälfte der sechziger Jahre, so finden sich malerische Bestandsaufnahmen, die eine frühe künstlerische Reife und mit ihr eine dunkeltonige Schwere und Suche zeigen.
Wie zum Beispiel das herausragend metaphorische Gemälde „Berliner S-Bahnhof“ aus dem Jahr 1960, sachlich konstatiert und doch von ungeheurer metaphorischer Wucht. Später sucht man solch explizite Aussagen in dieser Form bei Pukall vergeblich.
Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre zeigt er noch mal Details vom Verfall der Dresdner Neustadt und damit einer stagnierenden Gesellschaft („Alaunstraße“).
Einen wichtigen Schritt, den Pukall in seiner Kunst zu Beginn der achtziger Jahre macht und der ihn bis Ende des Jahrzehnts bei aller bleibenden Gegenständlichkeit zu einem wesentlichen Grad der Abstraktion kommen lässt, wird in den beiden Gemälden „Laubegast I“ und „Laubegast II“ mehr als deutlich.
„Laubegast I“ als traditionell altmeisterlich komponierte Stadtsituation, stellt er „Laubegast II“ gegenüber. Die Motive sind fast identisch, bis auf die Kirchturmspitze, die er in „Laubegast II“ einfach weglässt, aber die Umsetzung könnte gegensätzlicher nicht sein.
Sind im ersten Gemälde feinste Nuancierungen, Schattierungen und Details herausgearbeitet, setzt Pukall im zweiten Gemälde auf geschlossene Farbflächen. Die Straße und Gehwege sind ein monochrom blaues Band; Fassaden, Dächer, Himmel in subtil flächigen Farbvariationen gegeneinander abgesetzt.
Die Wirkung ist verblüffend. Die Stadtlandschaft scheint sich zu öffnen, scheint sich zu lösen aus Befindlichkeit und Enge. Sie verlässt die pittoresk-emotionale Ebene und verleiht der Situation kühle Distanziertheit. Pukall schafft einen Abstraktionsraum, der das Narrativ-Dokumentarische meidet und ausschließlich auf Form und Farbe abhebt.
Dabei ist die enge innere Bezogenheit des Künstlers zum Motiv, zu seinem emotionalen Lebensumfeld in unverminderter Intensität spürbar. Beide Gemälde stehen sich gleichberechtigt gegenüber, sind gleichermaßen gemeint und relevant.
Diese Gegenüberstellung gibt uns einen ungefähren Eindruck davon, wie sehr Pukall um seine Bildsprache ringt. Wie er Formen und Farben immer wieder hinterfragt, sich nicht in die Ruheposition des Handwerkers ziehen lässt. Im Gegenteil, er lässt in aller Zurückhaltung handwerkliche Virtuosität hinter sich und sucht nach dem Kern seiner bildnerischen Arbeit. Es gibt bei ihm keine radikal stilistischen Brüche im Sinne von künstlerischer Neuerfindung, auch keine Orientierung an einer Art Zeitgeschmack.
Sächsische Landschaften bleiben die wesentliche Inspirationsquelle Pukalls.
In diesen Landschaften entstehen die wichtigsten und intensivsten Arbeiten des Künstlers. Hier vermag Pukall eine empathische Sehnsucht zu formulieren, die bis heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat. Ohne Zweifel ist er inspiriert durch das Licht französischer, italienischer Landschaften, durch das Licht der Impressionisten.
Er verschafft dem Dresdner Kolorismus noch einmal einen bedeutetenden Höhepunkt und scheint, betrachtet man die nachkommenden Künstlergenerationen, mit seinem frühen Tod im Jahr 1989 auch einen Schlusspunkt unter die für Dresden so typische Maltradition zu setzen.
Seine Bilder sprechen nicht vom Weggehen. Sie wollen bleiben. Genau da, wo sie sind. Pukalls künstlerischer Blick auf eine vergleichsweise kleine Region mag heute, angesichts der scheinbar unbegrenzten globalisierten Möglichkeiten, befremdlich wirken.
Sicher muss dabei die damalige politische Situation in der DDR mit in Betracht gezogen werden. Egon Pukall war aber einer jener Künstler, die in ihrer unmittelbaren Umgebung die ganze Welt fanden, für die das Wort Heimat; so konservativ und verdächtig dieses heute manchem kulturellen Jetsetter auch scheinen mag; eine elementare, lebensnotwendige und unabdingbare Konstruktion war.
Die Les- und Erlebbarkeit seiner Kunst ist deshalb keineswegs eingeschränkt. Vielmehr zieht sie Bedeutung, Kraft und Verständnis genau aus dem Umstand der Konzentration und Bezogenheit auf den geistig wie künstlerisch immer wieder durchgearbeiteten und überschaubaren Raum eines unmittelbar erlebten Umfeldes.
Sein Werk ist von einer lebendigen Kraft und gleichzeitig kontemplativer Stille.