Hermann Bachmann im Newsletter vom Tagesspiegel 07.04.2022


Hermann Bachmann (1922–1995)
Die Berliner Jahre

Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag

 

– KULTUR –

Bachmann-Ausstellung in der Galerie Parterre. Seine Häuser haben keine Fenster, sind unbewohnt und überhaupt unbewohnbar. Wie Bunker stehen sie in grauer Landschaft, im silbrigen Licht des Nichts. Abweisend ist gar kein Ausdruck für diese Verschlossenheit. Und seine „Sitzer“ versperren als dunkle Schemen das Bild. Sie harren aus, bis nichts mehr bleibt als die leere Hülle des Körpers. Oder bis selbst der sich auflöst im Gewirr der Linien und vehementen Bewegungen des Zeichnens. Hermann Bachmann hat viele Werke geschaffen, die keinerlei Heiterkeit zulassen. Sie gleichen Metaphern einer Depression, die keine individuelle sein muss.

Für den 1922 in Halle geborenen Maler war der Tod immer schon da. Der Vater blieb im Krieg, er selbst wurde mit 19 Jahren an die Front eingezogen. Aus Russland brachte er eine Erinnerung mit, die zum Bildmotiv wurde: das Mohnfeld. Mit Kameraden habe er darin Schutz gesucht. Grau recken sich die Stängel mit den schweren Samenkapseln auf einer breiten Leinwand von 1957, wie Köpfe einer dichten Menschenmenge. Blutig rot steht die Sonne darüber.

Nach Bachmanns Krebsdiagnose 1986 kehren die Todesmotive wieder. Im Spätwerk beißt er sich daran fest, variiert seriell das Unausweichliche. Drei opulente Kataloge der Staatlichen Berliner Kunsthalle aus der Vor- und Nachwendezeit füllen seine erdrückenden Serien von Totenschädeln, Zifferblättern, gerippeartigen Gestalten. „Jedes Bild ist eine Niederlage“, gab der Maler 1991 zu Protokoll.

Kathleen Krenzlin von der Galerie Parterre in Prenzlauer Berg blendet diese Seite seines Schaffen nicht aus. Aber sie zeigt auch einen anderen Hermann Bachmann. Ihre Werkauswahl zum 100. Geburtstag, von einem Katalog und Veranstaltungen begleitet, kommt einer Revision gleich. Die Riesenformate lässt sie weitgehend außen vor, schon aus räumlichen Gründen.

Dafür leuchtet in kleinen Formaten eine heitere und unglaublich differenzierte Farbigkeit. Die meisten dieser brillant farbigen Kompositionen entstanden in den späten 1950er Jahren, als Bachmann bereits nach West-Berlin übergesiedelt war. In ihnen erprobt er Spielarten des Abstrakten, ohne sie zum dauerhaften Arbeitsprinzip zu erheben. Ob da tatsächlich eine „Sitzfigur“ inmitten der klangvoll nebeneinander gefügten Flecken Rot, Violett und Blau steckt, wie der Titel behauptet?

Die DDR hatte der junge Maler 1953 verlassen, nachdem er im Formalismusstreit drangsaliert und angefeindet worden war. Man warf seinen Werken Pessimismus und Endzeitstimmung vor. Der Freund Willi Sitte soll ihn vor einem geplanten Zugriff der Stasi gewarnt haben. Bachmann setzte sich in den Westen ab. Protegiert von Karl Hofer trat er eine Dozentenstelle an der Kunsthochschule an und blieb bis zu seiner Emeritierung 30 Jahre lang Lehrender. Als Professor soll er niemandem etwas aufgezwungen haben.

Seine Haltung während der Studierendenproteste 1968 brachte ihm den Vorwurf eines „Kulturbolschewisten vom Steinplatz“ ein. Wohl in einer Mischung aus Protest und Selbstzweifel verbrannte Bachmann im Hof der Akademie 160 seiner Werke. Aber irgendwann fing er doch wieder an zu malen.

Grau war für Bachmann die Summe, Kulminationspunkt und Resonanzraum aller Farben. Das hatte er gründlich durchdacht, in seiner mehrjährigen Karenzzeit. Wie die Grauwerte und Halbtöne alle bunten Akzente im Bild zusammenbinden und subtil zum Schimmern bringen, führte der Maler schon in seinem Frühwerk vor. Das fand Anerkennung unter den Kollegen in Halle.

Sein Grau steckt andere an. Auf dem noch in der DDR entstandenen Gemälde „Mann an der Mauer“ reckt ein halb abstrakter Kerl kraftvoll die Arme in einer Geste voller Selbstbehauptung. Die schrundige Maloberfläche rundum birgt alle Farben des Regenbogens, aber durchwebt vom Grau. Cézanne nannte Bachmann als seinen Gewährsmann. Tatsächlich, in den facettenartig aufeinander antwortenden Farbflecken seiner farbintensiven Abstraktionen der 1950er leuchtet etwas von diesem Erbe auf. Die Ausstellung räumt ihnen breiten Raum ein. Das hat etwas Frühlingshaftes, Tröstliches. Der Tod ist sowieso da. – Text: Elke Linda Buchholz